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Das Verfahren von Kaluza und Robnik

Man kann die zunächst nur zur Erleichterung der Sprechweise eingeführte abgewandelte Definition der ,,Konvergenz`` (Gl. (4.25)) zur Grundlage eines neuen Analyseverfahrens machen, indem man für die Punkte ${\mbox{\protect\boldmath$s$}}\in\Sigma_E$ der Poincaré-Fläche die Konvergenzfunktion

\begin{displaymath}
% latex2html id marker 175643C({\mbox{\protect\boldmath$s...
...\;
\mbox{im Sinn von Gl.\ (\ref{KonvergenzDef}) ist}
\right.
\end{displaymath} (4.15)

einführt [KaRo92]. Das $m_{\rm max}$ der Gleichung (4.25) ist hier natürlich der größte Grad (14) des von uns berechneten Quasiintegrals $I_{\rm BG}^{(m)}$. Mit dieser Definition ist es möglich, in einem einzigen Bild die Konvergenzeigenschaften des Quasiintegrals für alle Punkte eines Teilgebietes der Poincaré-Fläche zusammenzufassen. Allerdings muß man sich dabei vergegenwärtigen, daß weder aus $C({\mbox{\protect\boldmath$s$}})=1$ Konvergenz von $I_{\rm BG}^{(m)}({\mbox{\protect\boldmath$s$}})$ im üblichen Sinn folgt, noch umgekehrt. Trotzdem erhalten wir mit $C({\mbox{\protect\boldmath$s$}})$ einen nützlichen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Konvergenzeigenschaften des Quasiintegrals.

Für die folgende Untersuchung der Konvergenzfunktion haben wir uns auf die Brown-Gabrielse-Flasche bei der Energie $E=0.20$ beschränkt, weil für diesen Wert von $E$ reguläre und chaotische Dynamik koexistieren (vergleiche Abbildung 3.9). Somit können wir die Eigenschaften von $C({\mbox{\protect\boldmath$s$}})$ sowohl in der Nähe von invarianten Linien als auch in stochastischen Regionen untersuchen.

Abbildung 4.9 zeigt den Konvergenzplot des Brown-Gabrielse-Systems.

\begin{figure}
% latex2html id marker 175673
\vspace*{-0.5cm}
\par\hspace*{-2.0...
...mit $C({\mbox{\protect\boldmath$s$}})=1$\ sind
schwarz markiert.
}\end{figure}

Dieser Plot entsteht dadurch, daß man die Poincaré-Fläche in ein Punkteraster zerlegt und jeden Punkt ${\mbox{\protect\boldmath$s$}}$ des Rasters, für den $C({\mbox{\protect\boldmath$s$}})=1$ gilt, schwarz einfärbt; die anderen Punkte bleiben weiß. Es entsteht ein interessantes geometrisches Muster. Kaluza und Robnik erhalten für das von ihnen betrachtete System ähnliche Abbildungen.

Es ist erstaunlich, daß so viele Punkte die Konvergenzbedingung (4.25) erfüllen, wie das in Abbildung 4.9 dargestellt wird. Denn diese Bedingung ist streng, fordert sie doch über einige Grade $m$ hinweg eine monotone Konvergenz. Transient-konvergentes Verhalten wie in Abbildung 4.4 wird hier beispielsweise nicht als konvergent betrachtet. Die Häufigkeit konvergenten Verhaltens in unserem Konvergenzplot ist um so erstaunlicher, als einige der schwarz markierten Punkte in stochastischen Gebieten des entsprechenden Poincaré-Plots 3.9 liegen. Wir merken weiterhin an, daß die Verteilung der konvergenten Punkte in $\Sigma_E$ in keiner Weise die Struktur des im Poincaré-Plot aufgezeichneten Phasenportraits widerspiegelt.

Wir erklären diesen Sachverhalt im folgenden auf anschauliche Weise und schlagen eine neue Variante der Methode vor, die die Resultate entscheidend verbessert. Wir erinnern uns daran, daß wir nicht nur an den Punkten aus $\Sigma_E$ interessiert sind, sondern nach Möglichkeit den gesamten Phasenraum untersuchen wollen. Die Definition der Kaluza-Robnikschen Konvergenzfunktion $C({\mbox{\protect\boldmath$s$}})$ bezieht sich aber lediglich auf die Punkte der Poincaré-Fläche. Diese war zwar unter Berücksichtigung gewisser Kriterien (transversaler Schnitt mit dem Phasenfluß usw.), im Endeffekt aber doch willkürlich festgelegt worden. Wir interpretieren die unerwarteten Ergebnisse des Konvergenzplots als eine Folge dieser eher zufälligen Wahl von $\Sigma_E$.

Es liegt nahe, das beschriebene subjektive Element dadurch aus der Methode zu eliminieren, daß wir nicht mehr nur einzelne Punkte, sondern ganze Trajektorien betrachten. Wir berechnen demnach die durch die Punkte ${\mbox{\protect\boldmath$s$}}\in\Sigma_E$ als Startwerte festgelegten Trajektorien und bestimmen die Mittelwerte der entsprechenden Quasiintegrale:

\begin{displaymath}
\quad
\overline{I_{\rm BG}^{(m)}}({\mbox{\protect\boldmath...
..._0^T I_{\rm BG}^{(m)}(t;{\mbox{\protect\boldmath$s$}})
\quad.
\end{displaymath} (4.16)

Mit diesen Mittelwerten können wir nun die gemittelte Konvergenzfunktion $\overline{C}({\mbox{\protect\boldmath$s$}})$ durch die Anwendung von Gl. (4.27) auf die $\overline{I_{\rm BG}^{(m)}}({\mbox{\protect\boldmath$s$}})$ definieren:
\begin{displaymath}
% latex2html id marker 188230\overline{C}({\mbox{\protect...
...ox{im Sinn von Gl.\ (\ref{KonvergenzDef}) ist}
\right. \quad.
\end{displaymath} (4.17)

Einen nach dieser korrigierten Vorschrift berechneten Konvergenzplot zeigen wir in Abbildung 4.10.

\begin{figure}
% latex2html id marker 188248
\vspace*{-0.5cm}
\par\hspace*{-2.0...
...rline{C}({\mbox{\protect\boldmath$s$}})=1$ sind schwarz markiert.
}\end{figure}

Es bietet sich nun ein ganz anderes Bild als in Abbildung 4.9. Zunächst stellen wir fest, daß weniger Punkte ${\mbox{\protect\boldmath$s$}}$ die Konvergenzbedingung $\overline{C}({\mbox{\protect\boldmath$s$}})=1$ erfüllen. Dieses Ergebnis haben wir nach dem oben Gesagten erwartet. Darüber hinaus reproduziert Abbildung 4.10 die
Strukturen des Poincaré-Plots 3.9 erheblich detailgetreuer als das nach der ursprünglichen Definition von $C({\mbox{\protect\boldmath$s$}})$ erstellte Bild. Man erkennt ein ausgedehntes Konvergenzgebiet im Zentrum des Phasenraumes, dort, wo im Poincaré-Schnitt noch viele invariante Linien erhalten geblieben sind. Auch die hyperbolischen periodischen Punkte der dominanten Poincaré-Birkhoff-Kette, die aus sechs großen, konzentrisch angeordneten Inseln besteht, lassen sich eindeutig im korrigierten Konvergenzplot identifzieren. Dagegen divergiert das Quasiintegral in der Nähe der elliptischen periodischen Punkte dieser Inselkette.

In seiner korrigierten Form stellt das Kaluza-Robnik-Verfahren also ein durchaus nützliches Hilfmittel zur Analyse des Phasenraumes bzw. der Poincaré-Fläche dar. Allerdings ergibt sich wegen der Strenge des zugrunde gelegten Konvergenzkriteriums (Gl. (4.25) mit $m_{\rm max}=14$) kein sehr detailreiches Bild der Situation im Phasenraum; zudem kann man nur zwischen den beiden Fällen $\overline{C}({\mbox{\protect\boldmath$s$}})=0$ und $\overline{C}({\mbox{\protect\boldmath$s$}})=1$ unterscheiden und hat keine Möglichkeit einer differenzierteren Charakterisierung der Punkte von $\Sigma_E$. Wir wenden uns deshalb anderen Analyse-Methoden zu, die genauere Aussagen über die Geschwindigkeit der Konvergenz- bzw. Divergenz der Quasiintegrale ermöglichen.


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Martin_Engel 2000-05-25