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Globale Analyse des Quasiintegrals

Im Gegensatz zu der an einzelnen Punkten ${\mbox{\protect\boldmath$s$}}\in\Sigma_E$ orientierten Vorgehensweise im vorangehenden Abschnitt wollen wir uns nun einen Überblick über das Verhalten des Quasiintegrals in der gesamten Poincaré-Fläche verschaffen. Gewöhnlich verwendet man zu diesem Zweck Höhenliniendiagramme des Quasiintegrals in der Poincaré-Fläche [DrFi79,St91,KaRo92]. Wir stellen diese Methode vor und demonstrieren ihren eingeschränkten Nutzen im Fall der Brown-Gabrielse-Flasche. Dann gehen wir zu drei anderen Verfahren über, die für die globale Untersuchung von $I_{\rm BG}^{(m)}$ besser geeignet sind.

Um die Äquiniveaulinien von $I_{\rm BG}^{(m)}(\rho,z,p_\rho,p_z)$ in der Poincaré-Fläche darzustellen, setzen wir $\rho=0$ und wenden die Bedingung $p_\rho=\sqrt{2E-p_z^2}$, also Gl. (3.29), an. Damit erhalten wir das Quasiintegral als Funktion der die Poincaré-Fläche parametrisierenden Koordinaten $z$ und $p_z$. In den Abbildungen 4.7 und 4.8 haben wir die Höhenlinien dieser Funktion bei den Energiewerten $E=0.01$ und $E=0.20$ skizziert. Die abgebildeten Ausschnitte aus der Poincaré-Fläche sind die gleichen wie in den Poincaré-Plots 3.7 bzw. 3.9.

\begin{figure}
% latex2html id marker 175569
\par\vspace*{-5.0cm}
\hspace*{-0.8...
...r Poincar\'e-Fl\uml {a}che $\Sigma_E$\ bei der Energie
$E=0.01$.
}\end{figure}

\begin{figure}
% latex2html id marker 175589
\par\vspace*{-5.0cm}
\hspace*{-0.8...
...r Poincar\'e-Fl\uml {a}che $\Sigma_E$\ bei der Energie
$E=0.20$.
}\end{figure}

Für ein konvergentes formales Integral der Bewegung müssen die Höhenlinien von $I_{\rm BG}$ mit den invarianten Linien des Poincaré-Plots übereinstimmen [Mo68]. Andererseits wissen wir aus Abschnitt 3.2.2, daß es kein zweites Integral der Bewegung geben kann. Deswegen verwundert es nicht, daß die Poincaré-Plots und die Höhenliniendiagramme des formalen Integrals nur wenig Ähnlichkeit zeigen. Lediglich in einer kleinen Umgebung des Ursprunges werden die invarianten Linien der Abbildungen 3.7 und 3.9 durch die Äquiniveaulinien des Quasiintegrals $I_{\rm BG}^{(14)}$ näherungsweise reproduziert, weil, wie oben diskutiert, die Konvergenzeigenschaften dieser Potenzreihe bei kleineren numerischen Werten der Phasenraumkoordinaten besser sind. Darüber hinaus ist die Umgebung des Ursprungs bei den genannten Energien noch frei von größeren stochastischen Gebieten. Die Existenz solcher Gebiete ließe dort in jedem Fall Divergenz des Quasiintegrals erwarten.

Der Vergleich der Abbildungen 4.7 und 4.8 zeigt zudem den wesentlichen Einfluß des Parameters $E$. Der Anteil der Poincaré-Fläche, dessen Dynamik durch das Höhenliniendiagramm noch relativ genau beschrieben wird, wird mit zunehmender Energie immer kleiner. Aus diesem Grund haben wir für größere Energien als $E=0.20$ keine weiteren Höhenliniendiagramme angefertigt, denn es ergibt sich ohnehin keine nennenswerte Übereinstimmung mit den Poincaré-Plots. Diese Beobachtung läßt sich zwanglos im Rahmen des in Kapitel 3 diskutierten KAM-Szenarios erklären. Die Erhöhung des Systemparameters Energie führt zu sich ausbreitendem Chaos, das heißt zu aufbrechenden invarianten Linien und zur Entstehung von stochastischen Regionen. Der Versuch, die invarianten Linien des Poincaré-Plots durch Höhenlinien des Quasiintegrals zu approximieren, wird damit zunehmend gegenstandslos.

Wir begründen noch kurz, warum die hier skizzierte Methode bei anderen Systemen -- zum Beispiel beim Hénon-Heiles-System in [Gu66,KaRo92] und bei der gestörten Penning-Falle in [St91] -- zu erheblich besseren Resultaten führt. Wir haben die Brown-Gabrielse-Magnetflasche als Beispielsystem für unsere Untersuchungen ausgewählt, weil sie nicht durch Hamilton-Funktionen vom Gustavson-Typ (1.61) beschrieben werden kann. Die beiden oben genannten Systeme sind aber gerade von diesem Typ. Sie besitzen deshalb den entscheidenden Vorteil, daß das dynamisch erlaubte Teilgebiet des Phasenraumes beschränkt und bei hinreichend kleiner Energie beliebig klein ist. Dies begründet die guten Konvergenzeigenschaften der Quasiintegrale dieser Systeme bei sehr kleinen Energien. Für größere Energien verschlechtert sich dann auch bei den Systemen des Gustavson-Typs die Konvergenz von $I_{\rm DFS}^{(m)}$, wie man beispielsweise [KaRo92] entnehmen kann.

Im Fall des Brown-Gabrielse-Systems erstreckt sich das zugängliche Gebiet des Phasenraumes unendlich weit entlang der $z$-Achse. So können sich beispielsweise Teilchen, die man mit großem Axialimpuls $\vert p_z\vert$ startet, weit vom Zentrum der Flasche entfernen, was zu besonders stark ausgeprägter Divergenz von $I_{\rm BG}^{(m)}$ am oberen und unteren Rand der Poincaré-Fläche führt. Man erkennt die Divergenz, indem man die Höhenliniendiagramme mit den Poincaré-Plots 4.7 bzw. 4.8 vergleicht und in den angesprochenen Gebieten das Fehlen jeglicher Übereinstimmung zwischen den beiden Abbildungstypen feststellt. Entsprechendes gilt für Trajektorien, deren Startpunkte ${\mbox{\protect\boldmath$s$}}$ in der Poincaré-Fläche bei großen $\vert z\vert$ liegen; solche Trajektorien haben Divergenz des Quasiintegrals am linken und rechten Rand des abgebildeten Teils von $\Sigma_E$ zur Folge. Man vergleiche auch hierzu die Höhenliniendiagramme mit den Abbildungen 4.7 und 4.8.

Wir benötigen also für magnetische Flaschen -- oder allgemeiner für Systeme mit nicht-Gustavsonscher Hamilton-Funktion -- ein anderes Verfahren zur Untersuchung der Konvergenzeigenschaften von $I_{\rm DFS}$. In den folgenden Abschnitten 4.3.1 und 4.3.2 diskutieren wir solche Verfahren. Das wesentliche neue Ergebnis der darzustellenden Untersuchungen ist die Erkenntnis, daß die Konvergenzeigenschaften des Quasiintegrals $I_{\rm DFS}^{(m)}$ in den stochastischen Regionen erheblich mehr Information über das System beinhalten als der Poincaré-Plot [KaRo92].



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Martin_Engel 2000-05-25