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Die magnetische Flasche nach Brown und Gabrielse

Brown und Gabrielse betrachten in [BrGa86] eine Anordnung zur Speicherung von Ionen, die im wesentlichen aus einem homogenen Magnetfeld $B_0{\mbox{\protect\boldmath$e$}}_z$ besteht, dem ein ,,Flaschen-Term`` in Gestalt eines inhomogenen ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}$-Feldanteils überlagert wird:
\begin{displaymath}
\quad
{\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm BG}(\rho,z) :=
B...
...2}\rho^2\right){\mbox{\protect\boldmath$e$}}_z \right]
\quad.
\end{displaymath} (2.24)

Brown und Gabrielse befassen sich nur mit dem (einfacheren) Fall, in dem $B_0$ und $B_2$ das gleiche Vorzeichen haben, in dem also der inhomogene Feldanteil nahe der $z$-Achse den homogenen verstärkt. Im Gegensatz dazu
behandeln wir hier gleichzeitig beide möglichen Fälle, $B_0B_2\begin{array}{c} > \\ [-0.3cm] < \end{array}0$,
soweit es um die Herleitung und Vereinfachung der Hamilton-Funktion geht.

Weil die Anordnung offensichtlich axiale Symmetrie aufweist (und zusätzlich evakuiert sein soll), muß sich dieses Magnetfeld in die Multipolentwicklung des vorangegangenen Abschnitts einordnen lassen. In der Tat findet man mit Hilfe von Tabelle 2.2 sofort, daß man

\begin{displaymath}
\begin{array}{lcl}
b_1^+ & = & {\displaystyle \frac{1}{2}}...
..._l^- & = & 0 \quad \mbox{f\uml {u}r} \quad l\geq 0
\end{array}\end{displaymath} (2.25)

zu wählen hat, um ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm BG}$ gemäß den Gln. (2.11) und (2.14) zu entwickeln.

Der inhomogene Feldanteil ist demnach ein Oktupolterm, so daß es verständlich wird, warum Brown und Gabrielse gerade dieses ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}$-Feld (2.24) betrachten: Sowohl der homogene als auch der Oktupol-Feldanteil sind experimentell einfach zu realisieren.

Es ist nützlich, sich eine anschauliche Vorstellung von der Dynamik eines geladenen Teilchens in diesem Magnetfeld zu verschaffen. Hierfür berechnen wir zunächst die funktionale Gestalt $z(\rho)$ der ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm BG}$-Feldlinien in der $(\rho,z)$-Ebene. Wir folgern aus der allgemeinen Feldliniengleichung

\begin{displaymath}
\frac{d}{ds}{\mbox{\protect\boldmath$r$}}(s) = {\mbox{\protect\boldmath$B$}}\left({\mbox{\protect\boldmath$r$}}(s)\right)
\end{displaymath} (2.26)

(mit einem Parameter $s$) für das Brown-Gabrielse-Magnetfeld ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm BG}=B_{{\rm BG},\displaystyle \!\rho}{\mbox{...
...dmath$e$}}_\rho
+B_{{\rm BG},\displaystyle \! z}{\mbox{\protect\boldmath$e$}}_z$ die Differentialgleichung

\begin{displaymath}
\quad
\frac{dz_{\rm BG}}{d\rho} = \frac{B_{{\rm BG},\displ...
...G}^2
-\frac{1}{2}\rho^2
\right)}{-B_2\rho z_{\rm BG}} \quad.
\end{displaymath}

Die allgemeine Lösung dieser Gleichung erhält man als
\begin{displaymath}
\quad
z_{\rm BG}(\rho) = \pm \sqrt{ -\frac{B_0}{B_2}+\frac...
...\quad \mbox{mit} \quad
C=\mbox{konst.}, \; \rho\neq 0
\quad.
\end{displaymath} (2.27)

Hierbei ist $z_{\rm BG}(\rho)$ nur für solche $\rho $ definiert, für die der Radikand in Gl. (2.27) nicht negativ ist. Diese ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm BG}$-Feldlinien sind für $B_0=B_2=1$ und $B_0=-B_2=1$ in den Abbildungen 2.1 und 2.2 dargestellt2.4.

\begin{figure}
% latex2html id marker 9259
\hspace*{-1.5cm} %% alt: \hspace*{-0...
...dimensionale Bild durch Rotation der Feldlinien um die
$z$-Achse. }\end{figure}

\begin{figure}
% latex2html id marker 14538
\hspace*{-1.5cm} %% alt: \hspace*{-...
...dimensionale Bild durch Rotation der Feldlinien um die
$z$-Achse. }\end{figure}

Wäre das Magnetfeld homogen, dann führte das Teilchen aufgrund der Lorentz-Kraft eine Spiralbewegung mit der Zyklotronfrequenz $qB/m$ um eine Feldlinie herum aus. Natürlich ist das Brown-Gabrielse-Magnetfeld (2.24) nicht homogen, aber qualitativ folgt das Teilchen trotzdem spiralend einer Feldlinie, solange das Feld nicht ,,zu inhomogen`` wird, also zum Beispiel, solange das Teilchen nicht zu weit vom Koordinatenursprung entfernt ist. Wie man aus den Abbildungen entnehmen kann, gelangt das Teilchen aber irgendwann in einen Raumbereich, in dem sich die Feldlinien einander nähern und das Magnetfeld immer stärker wird, so daß das Teilchen zurückgeworfen wird und der Feldlinie in umgekehrter Richtung folgt. Diese anschaulichen Überlegungen bedürfen natürlich einer genaueren Begründung; wir werden diese Begründung in Kapitel 3 geben.

Wir nutzen jetzt Gl. (2.16) aus, um die dem Magnetfeld ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm BG}$ entsprechende Hamilton-Funktion anzugeben; dabei wählen wir zusätzlich

\begin{displaymath}
\quad p_\varphi = 0 \quad,
\end{displaymath} (2.28)

im Einklang mit unserer Forderung nach einer Hamilton-Funktion, die ,,einfach`` genug ist, um mit dem Normalformen-Formalismus behandelt werden zu können (vgl. Seite [*]f). Denn wäre der Azimutalimpuls von null verschieden, so erhielten wir einen zu $1/\rho^2$ proportionalen Summanden in der Hamilton-Funktion, und $\H$ läge nicht in Gestalt einer Potenzreihe vor -- die Normalformentheorie wäre nicht direkt anwendbar.

Unter Berücksichtigung von Gl. (2.28) und von Gl. (2.25) für die Koeffizienten der Multipolentwicklung erhalten wir die Hamilton-Funktion der Brown-Gabrielse-Magnetflasche als

$\displaystyle { H_{\rm BG}(\rho,z,p_\rho,p_z) = } \nopagebreak$
  $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{1}{2m} \left\{
p_\rho^2 + p_z^2 + \frac{q^2B_0^2}{4}\rho^2
...
...ac{q^2B_0B_2}{2}\left( \rho^2z^2-\frac{1}{4}\rho^4 \right)
\right. \nopagebreak$ (2.29)
    $\displaystyle \left. {} + \frac{q^2B_2^2}{4}\left( \rho^2z^4-\frac{1}{2}\rho^4z^2
+\frac{1}{16}\rho^6 \right) \right\} \quad.$  

Wir wählen als Masseneinheit die Teilchenmasse $m$ und als Ladungseinheit seine Ladung $q$. Das heißt, wir setzen formal $m=1$ und $q=1$. skalieren wir die Längen und die Zeit so, daß $H_{\rm BG}$ möglichst einfach wird. Dabei müssen wir zwei Fälle unterscheiden, je nachdem, ob der Oktupolanteil des ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}$-Feldes das Dipol- ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}$-Feld verstärkt oder abschwächt, ob also $B_0$ und $B_2$ gleiche oder entgegengesetzte Vorzeichen haben. Wir messen den Ort in Einheiten von

\begin{displaymath}
\begin{array}{c}
{\displaystyle \sqrt{ \frac{B_0}{2B_2}}} ...
...d
\begin{array}{c}
B_0B_2>0 \\ [0.7cm]
B_0B_2<0
\end{array}\end{displaymath}

und die Zeit in Einheiten von ${\displaystyle \frac{2}{B_0}}$, das heißt, wir
setzen (jeweils im Fall $B_0B_2\begin{array}{c} > \\ [-0.3cm] < \end{array}0$):
$\displaystyle \rho$ $\textstyle =$ $\displaystyle {\displaystyle \sqrt{\pm\frac{B_0}{2B_2}}\rho'}$  
$\displaystyle z$ $\textstyle =$ $\displaystyle {\displaystyle \sqrt{\pm\frac{B_0}{2B_2}}z' }$ (2.30)
$\displaystyle t$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{2}{B_0}t' \quad.$  

Zur Vereinfachung der Schreibweise ersetzen wir im folgenden die gestrichenen wieder durch ungestrichene Größen. Damit ergibt sich die Hamilton-Funktion als

$\displaystyle H_{\rm BG}(\rho,z,p_\rho,p_z)$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{B_0^3}{8B_2} \left\{ \pm\frac{1}{2}\left(p_\rho^2+\rho^2\right)
\pm\frac{1}{2}p_z^2 + \frac{1}{2}\rho^2z^2 \right.$  
    $\displaystyle \left. {} - \frac{1}{8}\rho^4
\pm\frac{1}{8}\rho^2z^4 \mp\frac{1}{16}\rho^4z^2 \pm\frac{1}{128}\rho^6
\right\} ,$ (2.31)
    $\displaystyle \mbox{falls} \quad
B_0B_2\begin{array}{c} > \\  [-0.3cm] < \end{array}0 \quad.$  

Abschließend skalieren wir noch die Energie gemäß
\begin{displaymath}
\quad H_{\rm BG} = \pm \frac{B_0^3}{8B_2}H_{\rm BG}'
\; , ...
...ls}
\quad B_0B_2\begin{array}{c} > \\ [-0.3cm] < \end{array}0
\end{displaymath} (2.32)

(Dabei ändert die Energie durch die Skalierung ihr Vorzeichen nicht!), lassen die Strichmarkierung wieder weg und verbleiben schließlich mit
$\displaystyle \quad H_{\rm BG}(\rho,z,p_\rho,p_z)$ $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{1}{2}\left(p_\rho^2+\rho^2\right)
+ \frac{1}{2}p_z^2 \pm\frac{1}{2}\rho^2z^2 \nopagebreak$  
    $\displaystyle \mp\frac{1}{8}\rho^4
+ \frac{1}{8}\rho^2z^4 - \frac{1}{16}\rho^4z^2 +
\frac{1}{128}\rho^6 \quad,\nopagebreak$ (2.33)
    $\displaystyle \mbox{falls} \quad
B_0B_2\begin{array}{c} > \\  [-0.3cm] < \end{array}0 \quad.$  

Der quadratische Anteil dieser Hamilton-Funktion zeigt, daß man das Brown-Gabrielse-System in erster Näherung durch eine harmonische Oszillation in $\rho $-Richtung und eine freie Bewegung in $z$-Richtung beschreiben kann. Die Kopplungsterme, die hier von vierter und sechster Ordnung sind, führen dann aber zu der oben angedeuteten gebundenen Bewegung (falls $\rho $ von null verschieden ist).

Im Hinblick auf die Normalformentheorie ist es wichtig zu bemerken, daß dieses System nicht mit dem Gustavsonschen Formalismus behandelt werden kann, denn dort geht man ja davon aus, daß das betrachtete System in niedrigster Ordnung durch (in diesem Fall zwei) harmonische Oszillatoren beschrieben wird. Hier deutet sich schon die Bedeutung der Dragt-Finn-Stegemertenschen Theorie an, die für alle in Form einer Potenzreihe vorliegenden Hamilton-Funktionen anwendbar ist.



Fußnoten

... dargestellt2.4
Für $\vert B_0\vert\neq 1$ oder $\vert B_2\vert\neq 1$ ergeben sich ähnliche Bilder, die in Abhängigkeit davon, ob $B_0$ und $B_2$ gleiche oder entgegengesetzte Vorzeichen haben, entweder der Abbildung 2.1 oder der Abbildung 2.2 entsprechen.

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Martin_Engel 2000-05-25